Erinnerungen an Ulrich Tillmann

Die Ägyptenbilder _ Teil I

ULRICH TILLMANN

08.03.2021 – 05.09.2021

Horustempel in Edfu, (Serie: Ägyptenbilder), 1994
Foto: Ulrich Tillmann

In einer zweiteiligen Ausstellungsreihe erinnert das Museum DKM an den am 26. Februar 2019 verstorbenen Foto- und Konzeptkünstler Ulrich Tillmann (1951–2019). Auftakt macht die Präsentation seiner Ägyptenbilder.

Ulrich Tillmann begab sich Anfang der 1990er Jahre auf eine Ägyptenreise, auf der er fotografisch im Stil der Reisefotografie aus dem 19. Jahrhundert die altägyptische Baukunst dokumentierte und sie in der Nachbetrachtung historisch ästhetisierend bearbeitete. In der Ausstellung Erinnerung an Ulrich Tillmann. Die Ägyptenbilder _ Teil 1 zeigen wir erstmalig ein Konvolut von ausgewählten Arbeiten aus dem Sammlungsbestand der Stiftung DKM.

Die großformatigen Ägyptenbilder Tillmanns sind Nachschöpfungen der Reisefotografie aus dem 19. Jahrhundert und bilden zugleich eine Hommage an die Anfänge der Fotografiegeschichte. Denn 1839 markiert nicht nur das Entstehungsjahr der ersten Fotografie der Pyramiden von Gizeh, sondern auch die Veröffentlichung des ersten praktikabel einsetzbaren Fotografie-Verfahrens, der Daguerreotypie. Schnell wurde sie in den Dienst der Wissenschaften gestellt, um unter dem Einfluss des zeitgenössischen realisme das romantisch verzerrte Ägyptenbild zu korrigieren.

Vor seiner Ägyptenreise befasste sich Tillmann eingehend mit der Reise zum Nil von Gustave Flaubert und Maxime Du Camp. Letzterer erfasste 1849/1850 im Auftrag der französischen Regierung die ägyptischen Baudenkmäler und erschuf ein beeindruckendes Mappenwerk in der Frühzeit der Fotografie, an dessen strenge Bildästhetik Tillmanns Ägyptenbilder anschließen. Mit einer historisch anmutenden Brauntonung versehen, versetzte sie der Künstler augenscheinlich in die Anfangsphase der Orientfotografie, in eine Zeit, die gleichzeitig den Höhepunkt des Nilexotismus bildete und in der das Motiv der Pyramiden zum Liebling der Reisefotografie avancieren sollte.

Obgleich historisch inszeniert, schießt das monumentale Format Tillmanns Fotografien weit über die damaligen technischen Möglichkeiten hinaus. Auch die malerisch eingesetzten Wischspuren der Entwicklerflüssigkeit am Bildrand und zum Teil demonstrativ auf der Bildmitte sind Ausdruck einer offenkundigen Manipulation dieses Anachronismus. Als Indikator einer Vielzahl sich überlagernder, narrativer Schichten markieren sie gar die Komplexität der Ägyptenrezeption. Der rabiate Eingriff ins Bildsujet mag zudem auf den gewaltsamen Untergang der ägyptischen Hochkultur sowie die Inszenierung einer europäischen Macht als vermeintliche Retterin kultureller Schätze aus fernen Zeiten anspielen. Anhand seiner kongenial angewandten Metasprache gelingt es Tillmann, seine eigene kulturelle Erfahrung zu reflektieren und den mehrfachen Blick auf das Andere, in die Vergangenheit und bis heute zu vermitteln.

Ulrich Tillmann studierte Fotografie an der Fachhochschule Köln, bevor er ein Studium der Kunstgeschichte sowie der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Universität zu Köln absolvierte. Von 1977 bis 1987 erfüllte er Lehraufträge für Fotografie und Film an der Fachhochschule Köln und der Universität zu Köln, der Fachhochschule Düsseldorf sowie der Gesamthochschule Wuppertal. Sein künstlerisches Werk zeichnet sich durch eine besondere Vielseitigkeit aus und bewegt sich zwischen Fotografie, Video und Konzeptkunst. 1978 eröffnete Tillmann zusammen mit Bettina Gruber und Maria Vedder die antikommerzielle Gallery without a Gallerist, einen Ausstellungsraum für Foto- und Videokunst, der im Jahr 1981 durch die Werkstatt für experimentelle Arbeitssituationen erweitert wurde. Im selben Jahr schuf er sein Alter Ego Klaus Peter Schnütger-Webs und das Klaus Peter Schnütger-Webs Museum, das eng mit seiner Biografie und mit der Kunstszene und Kulturpolitik in Köln verwoben ist. Ab 1986 arbeitete Tillmann als Kurator des Agfa Foto-Historama im Museum Ludwig, für das er u.a.1997 die Ausstellung Die Reise zum Nil 1849–1850. Maxime Du Camp und Gustave Flaubert in Ägypten, Palästina und Syrien konzipierte. Von 2000 bis 2016 war er ebenda als wissenschaftlicher Dokumentar für Malerei und Skulptur tätig.