Ausgewählte Werke

MODERNE KUNST: FOTO

Ulrich Tillmann, Meditationen

Photo: Ulrich Tillmann

ULRICH TILLMANN
Meditationen, 1985 / 2001
Manipulierter und getonter Barytabzug auf Museumskarton
30 x 24 cm BH


Meditiert auch der riesig im Verhältnis zur Skulptur scheinende, auf einem Kissen lagernde, eigentlich aber kleine Hund so, wie der in sich gekehrte, vor ihm sitzende, kaum doppelhandhohe Buddha? Ist die konzentrative Kraft des Buddhas übergegangen auch in des Hundes Seelenzustand oder schöpft gar der Buddha aus der natürlichen Entspanntheit des Hundes? Vermag eine Skulptur so zu wirken, dass auch ein Hund sich ihrer Ausstrahlung – der von ihr ausgehenden Energie – nicht entziehen kann? Und, kann auch die Abbildung von Meditierenden selbst zur Meditation führen? Die Fotografie von Ulrich Tillmann und ihr Titel Meditationen (Plural) stellen dem Betrachter diese Fragen.

Dieses Foto steht gleichsam programmatisch für das, was zukünftig im Museum DKM in Duisburg für die Besucher erfahrbar wird. Es fasst in gewisser Weise eine große Strecke des Horizontes zusammen, unter dem die Sammlung DKM zu fassen ist: Westen, naher und ferner Osten; alte Kunst und solche unserer Gegenwart; profane und religiös fundierte Kultur; Skulptur und Bild – hier Fotografie. Darum auch ist es das Umschlagfoto des Kataloges zur Eröffnungsausstellung mit dem Titel Linien stiller Schönheit.

Ein Fotograf unserer Zeit – Ulrich Tillmann -, der im Westen verwurzelt ist, der wie viele Westler aufgrund ihrer ökonomischen Möglichkeiten gern in den nahen und fernen Osten reist, der in Köln mit seinem Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum den sogenannt professionellen Kunstbetrieb auch subversiv hinterfragt – dieser Künstler fotografiert die völlig harmonisch wirkende Situation, in die offensichtlich ein der fernöstlichen Kultur und ihrer Geschichte entstammender Buddha, eine Skulptur mithin, selbst einen westlich domestizierten Hund versetzen kann: nämlich die der Meditation. Und, dieses Foto erhebt über seine Abbildungsfunktion hinaus auch noch für sich selbst den Anspruch, im innovativen Medium des 19. und 20. Jahrhunderts für das 21. Jahrhundert den Anspruch von Schönheit zu erfüllen.

So sagt Ulrich Tillmann selbst in einem Gespräch mit Kathrin Luz, das im Katalog Linien stiller Schönheit abgedruckt ist: „Die Schönheit ist nicht verloren gegangen. Vielleicht ist ja die Tatsache, dass sich viele Avantgardekünstler mit deren Negation oder Zerstörung beschäftigen, ein Indiz dafür, dass das Thema Ästhetik wie in allen Zeiten aktuell, brisant und interessant ist.“ Und zu seinem Foto Meditationen sagt er weiter: „Das Bild ist schön, weil es Ruhe und Ausgeglichenheit ausstrahlt, auch wenn nicht klar ist, von welchem Beteiligten welcher Anteil ausgeht. Natürlich kann man sich auch fragen, ob es gerechtfertigt ist, dass die Buddhafigur hundert Mal teurer ist als der Hund.“

Raimund Stecker, 2009

Ulrich Tillmann (1951–2019)

Das Foto Meditationen von Ulrich Tillmann ist in der ständigen Präsentation der Sammlung zu sehen.