Ausgewählte Werke

ALTE KUNST: ÄGYPTEN

Amenophis III (Fragment)

Fragment einer Statuette Amenophis III., Inv.-Nr. 020.004.001
© Stiftung DKM | Photo: SDKM

ÄGYPTEN

Neues Reich, 18. Dynastie, 1390 – 1353 v.u.Z.
Grauer Kalkstein

9,5 x 3,8 x 8,2 cm HBT


Auch Fragmente können eine große Ausstrahlung haben, insbesondere Fragmente ägyptischer Kunstwerke. Von dieser Statuette Amenophis’ III. ist zwar nur noch der untere Teil mit Basis und stützendem Rückenpfeiler erhalten, doch kann sie unser geistiges Auge vollständig ergänzen. Die fein ausgeführte Inschrift weist die Statuette König Amenophis III. zu und als einen vom Gott Thoth geliebten Herrscher aus. Der altägyptische Proportionskanon wurde vom Relief auch auf das Rundbild übertragen. Das Gerüst hierzu bildeten Basis und Rückenpfeiler, von denen die Proportionen der einzelnen Körperabschnitte aus eingemessen wurden. Basis und Rückenpfeiler haben bei großformatigen Statuen auch statische Funktion. Auf die Flächen des zu bearbeitenden Steinblockes wurden ein Linienraster und die Umrisse der wiederzugebenden Figur übertragen. Stufenweise wurde sie dann herausgemeißelt. Ein Problem bestand darin, dass dabei das Liniennetz immer wieder abgearbeitet wurde und wiederholt aufgetragen werden musste. Nur so konnte man die Einhaltung der Proportionen garantieren, weshalb uns die ägyptischen Kunstwerke und sogar nur einzelne Fragmente davon noch heute in ihrer Ausgewogenheit vollkommen erscheinen.

Mit Amenophis III. erreichte das künstlerische Schaffen der 18. Dynastie seinen Höhepunkt. Obwohl man von Amenophis III. mit Recht behaupten kann, er sei der erste „Ramesside“ gewesen, weil er wie später Ramses II. eine ungeheuerliche Zahl an gewaltigen Bauten und Kolossalstatuen errichten ließ – mehr als 45 haben kolossales Ausmaß, d.h. sind über drei Meter hoch –, existieren von ihm auch viele kleinformatige Statuetten aus ganz verschiedenen Materialien. Sie zeigen ihn allein, zusammen mit einer seiner Töchter oder aber mit seiner „Großen Königsgemahlin“ Teje.

Von diesem kleinen Standbild des Königs ist nur der untere Teil erhalten geblieben. Der Bruch verläuft etwa oberhalb der Knie. Amenophis III. stand einst aufrecht in Schrittstellung auf der vorne abgerundeten Basis, seine Arme waren wohl seitlich angelegt. Der Rückenpfeiler und auch die seitliche Füllung zum linken Bein sind beschriftet. Die Inschrift auf der linken Seite ist vollständig und lautet: „Vollkommener Gott, Nebmaatre, geliebt von Thot“. Der erhaltene untere Teil der Inschrift auf dem Rückenpfeiler heißt: „(…) Nebmaatre, geliebt von Thot, Herr der Stadt der Acht (Hermopolis Magna)“.

Während seiner 38-jährigen Regierung feierte Amenophis III. drei Erneuerungsfeste, so genannte Sedfeste. Zeitlebens hatte der König übermenschliche, ja göttliche Fähigkeiten zu demonstrieren, um die Sicherung der göttlichen und weltlichen Ordnung zu garantieren. Da sich nach der Meinung der Alten Ägypter nach 30 Regierungsjahren die göttlichen Kräfte verbrauchten, mussten sie in einem eigenen Ritual, dem Sedfest, magisch erneuert werden. Es scheint plausibel, dass die kleinformatigen Statuetten anlässlich eines dieser Sedfeste angefertigt und verdienten Beamten als Geschenk übergeben wurden. Sie sollten dem täglichen Kult des Königs in privaten Hauskapellen dienen.

André Wiese

Literatur

A. Kozloff – B. Bryan – L. Bergman, Egypt’s Dazzling Sun. Amenhotep III and his World, Cleveland 1992, 193–214. General literature: M. Müller, Die Kunst Amenophis’ III. und Echnatons, Basel 1988. Linien stiller Schönheit, Duisburg 2008, 34–35. Ägypten | Egypt, Duisburg 2011, Kat.-Nr. 29, 62–63.