INNEN : HAFEN (NACHTMITSCHRIFT)

HANS-DIRK HOTZEL und BARBARA KÖHLER

06.11.2000 – 14.01.2001

Foto: Werner J. Hannappel

INNEN : HAFEN

An der Hafenfront der Werhahnmühle gibt es einen Anbau, dessen (ehemalige) Funktion von außen nicht ersichtlich ist. Ein paar Stufen führen zu dem Gang, der aber nicht zugänglich ist; eine Reihe fensterähnlicher Öffnungen befindet sich oberhalb jeder Augenhöhe. diese acht Luken scheinen überhaupt die z. Zt. einzige Möglichkeit zu sein, einen Blick ins Innere des ansonsten sorgfältig verschlossenen Gebäudes zu werfen – oder wenigstens etwas davon zu erahnen. der äußerst eingeschränkte Einblick wird hervorgehoben durch Renovierung und nächtliche Beleuchtung; nicht von außen, sondern innen geweißelt, auch das Licht nicht farbig, sondern neutral weiß. Das einzige Gebäude diesseits des Innenhafens, das bislang weder aktiv ins Nutzungs- noch ins Beleuchtungskonzept einbezogen ist, erweckt so (und zu einer Tageszeit, da die umliegenden Baustellen, die Museums- und Bürobauten verlassen liegen) an unvermuteter stelle einen Anschein von gleichermaßen gewöhnlichem wie geheimnisvollem, unspektakulärem Innenleben.

Unzugänglichkeit spielt auf verwandte Weise bei der Installation für Haus trinks eine Rolle. normalerweise wirkt der Ausstellungsraum mit seinen vier großen Schaufenstern und der Glastür wie eine Vitrine; alles, was sich darin befindet, ist für Außenstehende sichtbar, die Möglichkeit den Raum zu betreten verspricht nur ein geringes plus an Information. diese Situation wird umgekehrt, indem innen auf die Scheiben opake Folie flächendeckend aufgebracht ist, aus der nur ein einzeiliger Schriftzug ausgespart bleibt. von außen gesehen bewirkt das einerseits eine Verstärkung der Spiegelungen des Umfelds, andererseits ein fast unmerkliches «Ausblenden» des Innenraumes, das eher als Irritation denn Gewissheit erfahrbar wird. Die Schrift erscheint außen als Spiegelschrift, die lesbarere Seite nach innen gewandt. Durch die Schrift lässt sich ein Blick in den Raum werfen.
Dort sind an der Wand gegenüber den Fenstern vier intensiv leuchtende Flächen zu sehen, die sich zu den Fenstern in Größe, Position und Umriss spiegelbildlich verhalten. Sie bestehen aus weißem Hintergrundkarton, wie er von Fotografen verwendet wird, um für Motive im Atelier einen neutralen Fond herzustellen, der alle Raumanmutung ausschließt. da die weißen Leuchtstoffröhren im Raum durch Schwarzlichtröhren ersetzt wurden, die ultraviolettes Licht emittieren, das nur indirekt, als Reflexion auf bestimmten Materialien sichtbar wird, wirken diese Areale wie pure Lichtbilder. eines davon wird auch als Projektionsfläche für den Film im Januar genutzt.

Von innen ist zu sehen, dass der Raum nicht nur durch diese «Lichtbilder», sondern auch durch die Schrift, das Tageslicht, was durch sie eindringt, erhellt wird. auch die Folie erweist sich, bei Tage und von innen betrachtet, als durchscheinend, wirkt fast weiß; nachts hingegen, während sie innen an die undurchdringliche, graue Rückseite von Spiegeln erinnert, dringt ein blauer Schimmer durch sie nach draußen. die Situation ist eine durchaus zwielichtige, der Raum sozusagen eine obskure Kammer. durch die Schrift lässt sich auch nach draußen blicken, Tageslicht macht sie von innen lesbar (und direktes Sonnenlicht am Nachmittag projiziert sie in den Raum), Während sie mit einbrechender Dämmerung zu verschwinden scheint, nur noch im vorbeigehen zu entziffern ist, als ein Film spiegelnder Buchstaben in einer stumpfen Fläche. von außen wird sie gleichzeitig jedoch als Leuchtschrift im negativ deutlich.
Auch der Text wirkt auf den ersten Blick unzugänglich; von außen ließe er sich zwar in einem Zug von rechts nach links lesen, was aber durch Spiegelschrift und überlagernde Spiegelungen erschwert wird; von innen scheint es einfacher, aber lässt er sich nicht mit einem Blick fassen und setzt auch inhaltlich einer linearen Lesart immer wieder Widerstand entgegen. Auch der Text funktioniert wie ein Raum, der beweglich erkundet sein will und nicht jederzeit und unter allen Umständen vollständig einsichtig ist.

Gezeigt werden Räume, die zeigen, was nicht zu sehen ist.