Ausgewählte Werke

Sein und Schein. Die Bilder von Norbert Frensch

NORBERT FRENSCH

MODERNE
Sammlung DKM

Norbert Frensch, DU1-01, 2001 en KL1-06, 2006, © Stiftung DKM
Foto: Werner J. Hannappel

Sein und Schein. Gedanken vor Bildern von Norbert Frensch

Aus dem spiegelnden Schwarz zweier sehr großer Bilder von Norbert Frensch – nebeneinander an einer Wand im Museum DKM – tauchen jeweils eine konvexe Form etwas stärker und eine konkave etwas weniger betont und durch gestufte Helligkeitswerte unterschiedlich hervorgehoben auf. Das Konvexe, das näher erscheint, und das Konkave sind aufeinander bezogen und ergänzen sich optisch zum Bild einer Schale, die dünnwandig ist und Licht reflektiert, einer Schale aus Metall also. Und genau das ist wiedergegeben. Eine kleine Aluminiumschale in einem Kartongehäuse ist im Atelier des Malers Modell und Objekt für Studien mit unterschiedlichen Beleuchtungen und aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Bilder bieten aber nicht lediglich Abbilder des Modells, sondern autonome Malerei. Die konvexe und die konkave Form grenzen sich einerseits partiell scharf gegen das vollkommene, unergründlich tiefe Schwarz ab, das das Bildfeld ganz überflutet, und andererseits verlieren sie sich in feinsten Abstufungen darin. Die Oberkante der konvexen und der konkaven Form fügen sich zwar zu einem virtuellen Oval des Schalenrandes, das aber nicht ganz ausformuliert, nicht insgesamt sichtbar gemacht wird. Das konvexe und das konkave Element schweben im Schwarz wie Klang und Echo.

Die Bilder sind an der Grenze zwischen Gegenstandsevokation und absoluter Form angesiedelt. »Die Malerei von Norbert Frensch – so Annette Reich – übt eine Anziehungskraft aus, der man sich nur schwer entziehen kann. Seine Bilder bewegen sich zwischen Materialität und Immaterialität, Erscheinung und Auflösung, Präsenz und Absenz. Es geht nicht um die Frage einer gegenständlichen oder abstrakten Darstellungsweise. Vielmehr setzt sich der Künstler durch eine subtil eingesetzte Lichtführung mit Materie, Form und Raum auseinander. Der reale Ausgangspunkt wird transzendiert, die Wahrnehmung zum eigentlichen Bildthema erhoben.«

Seit 1992 malt Norbert Frensch (*1960 in Mainz, 1980/86 Studium an HbK Hamburg) seine >schwarzen Bilder<, die in unendlicher Variation den immer gleichen Gegenstand wiedergeben in Formaten von 25 x 31 cm bis 190 x 240 cm, in unterschiedlichen An- und Aufsichten sowie in wechselndem Licht. Das immer Gleiche wird zum immer Neuen. Die Wahrnehmung kombiniert die Formen, die das Auge aufnimmt, mit dem, was an Seherfahrung im Gedächtnis gespeichert ist und mit emotionalen Werten der Psyche. Das Gefäß ist nicht in Gänze sichtbar. Die Auflösung der Grenzen nach links und rechts begründet das Geheimnis, das dadurch gesteigert wird, dass der Inhalt des Gefäßes keinesfalls preisgegeben wird. Dabei ist damit zu rechnen, dass das Gefäß leer ist. Was aber beinhaltet die Leere? Jedes Gefäß birgt Stille und Meditation, ist ein Behältnis voll magischer Kraft, ein Gral. Mit diesen Bildern der vom Licht aus dem totalen Schwarz hervorgehobenen Schale reiht Norbert Frensch sich – singulär in der Gegenwartskunst – als später Nachfahre in eine große Tradition des Chiaroscuro ein, als letzter Caravaggesco. Dabei lässt die hohe Abstraktion seiner Malweise insbesondere an diejenige von Georges de La Tour denken.

»Norbert Frensch malt seine >schwarzen Bilder< – so wiederum Annette Reich – in Öl und Dammar auf Leinwand. Zunächst spachtelt er in einem aufbauenden Malvorgang den Malgrund in mehreren Schichten mit weißer Latexfarbe. Dann folgt eine rote Grundierung mit Dispersionsfarbe, die der Imprimitur mittelalterlicher Tafelbilder vergleichbar ist. Darauf entfaltet sich das Motiv, das Frensch in schwarzer und weißer Ölfarbe mit dem Pinsel anlegt. Dabei gilt es zu vermeiden, dass die Ölfarbe zu schnell in die Grundierung einsinkt. … Nun überdeckt der Künstler das gesamte Bild mit einer zähflüssigen schwarzen Farbmasse, bestehend aus Ölfarbe und Dammarharz. Diese Farbglasur wird am oberen Bildrand dick aufgetragen und verläuft gerichtet, infolge einer Schrägstellung des Bildes, gleichmäßig von oben nach unten über die Gesamtheit der Fläche. Entscheidend für die Fertigstellung des Bildes ist es jetzt, die Farbe mit trockenem Pinsel zu reduzieren, bis die Untermalung wieder erscheint und die Malstruktur partiell freilegt.« Damit ist der Entstehungsprozess genau dargelegt.

Norbert Frensch, G-KTL2-07, 2007, © Stiftung DKM
Foto: Werner J. Hannappel

An der Wand gegenüber den beiden >schwarzen Bildern< hängt eines der so genannten >grauen Bilder<, die seit 2004 entstehen und „in denen Frensch die Darstellung räumlicher Wahrnehmungsphänomene weiter vorantreibt“. Es handelt sich um eine zweiteilige Leinwand von 190 x 380 cm. Regelmäßige, feine Abstufungen von Grauschwarz bis nahezu Weiß lassen horizontal gerichtete Wellen ansichtig werden. Die Suggestion des plastischen Vorschwingens mit halbrundem Wellenkamm und des Zurückweichens mit halbrundem Wellental ist so stark, dass viele Betrachter sich am linken oder rechten Bildrand vergewissern, dass das Wogen der Wellen Illusion ist und tatsächlich in der Ebene des Bildfeldes stattfindet. Dem aufmerksamen Betrachter entgeht nicht, dass das horizontale Gewoge aus schmalen, vertikalen Bändern mit regelmäßigem Wechsel des Helldunkels zusammengesetzt ist. Es ist auch nicht zu übersehen, dass der Wechsel im Helldunkel durch eine regelmäßige Bewegung mit dem Pinsel generiert wird, die aus dem Auf und Ab einer von links nach rechts verlaufenden Handbewegung resultiert. Daraus ergibt sich, dass diese >grauen Bilder< nicht in der dargebotenen Weise entstanden sind, sondern um 90° gedreht, so dass die vertikal erscheinenden Bänder, die struktiven Bildelemente, horizontal verlaufen. Aus solchen Bändern, die in sich farbige und/oder tonale Übergänge enthalten, hat bereits Cézanne seine Bilder aufgebaut und damit Bildraum und Bildfläche miteinander verwoben. André Lhote hat diese Bänder, die sich nicht nur mit dem Links und dem Rechts, sondern auch mit dem Darüber und dem Darunter verbinden, Passagen genannt.

Und genau dieses Elements Passage bedient sich Norbert Frensch in seinen >grauen Bildern<, allerdings mit einer anderen, mit einer strengen Systematik. Bei einem Besuch im Atelier von Norbert Frensch in Frankfurt zeigte sich zu unserer Überraschung, dass die horizontalen Wellen sich verändern, wenn die Leinwand um 90° in die Produktionsposition gedreht wird. Anstelle der aus entgegen gesetzten Halbkreisen gebildeten Wellen ist eine Addition von nebeneinanderstehenden Rohren zu sehen, wobei konvexe Halbkreise aneinander gereiht erscheinen mit spitzen Winkeln zwischen sich.

»Als Titel wählt Frensch – so wiederum Annette Reich – eine nüchterne Kombination aus Buchstaben und Zahlen. Die Buchstaben verweisen auf Städte, in denen die Gemälde erstmals ausgestellt waren oder werden, z. B. H für Hamburg, KL für Kaiserslautern oder K für Köln; dann folgt eine fortlaufende Ziffer und schließlich das Entstehungsjahr. Erst wenn die Bilder zum ersten Mal ausgestellt werden, erhalten sie ihre Bezeichnung und Signatur.«

Seit 2006 hat Norbert Frensch, ausgehend von seinen >grauen Bildern<, eine neue Werkgruppe entwickelt. Dabei überzieht er das Bildfeld mit einem stufenlosen Ablauf von Dunkel oben über Hell zu Dunkel unten. Es stellt sich der Eindruck eines weiten, atmosphärischen Raumes, eines mit Licht erfüllten Landschaftraumes, ein. Annette Reich ist es nicht entgangen, dass diese Werke von Norbert Frensch eine innere Verwandtschaft mit Bildern von William Turner aufweisen und auch an ‚Mönch am Meer‘ von Caspar David Friedrich denken lassen.

Gert Kreytenberg

Annette Reich, Von nächster Nähe zu unendlicher Ferne – Präsenz und Absenz in der Malerei von Norbert Frensch, in: Norbert Frensch, Malerei Painting, Schwarz und Grau Black and Grey, Katalog der Ausstellung (Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern, 12.05.–15.07.2007), Heidelberg 2007, Zitate: S. 11, 12–13, 18, 13, 19.