Plénitude

GIANFREDO CAMESI

09.11.2007 – 17.02.2008

Ausstellungsansicht Galerie DKM
Foto: Werner J. Hannappel

L´Univers est en nous, le monde est son miroir
(Das Universum ist in uns, die Welt ist sein Spiegel)

Mit seiner Überlegung über die Welt als dem Spiegel des in uns selbst beheimateten Universums trifft Gianfredo Camesi zwei zentrale Momente, die sein bildnerisches Werk ganz grundsätzlich bestimmen. Zum einen spiegelt sich in der Stimmung der poetischen Form seiner Stellungnahme die ästhetische Atmosphäre seiner Werke. Zum anderen wird in dem poetisch-philosophischen Anspruch der Aussage das Anliegen erkennbar, über das Erleben des Sichtbaren hinaus auch den Zugang zu einer metaphernhaften Interpretation eines universellen Weltverständnisses zu finden. Plénitude, 2007, Gianfredo Camesis Installation für die Stiftung DKM in Duisburg, erschließt sich so im Erleben ihrer ästhetischen Dimension und zugleich in dem Aufspüren der damit eröffneten Botschaft vom Universum in uns.

Als visuelle Präsenz radikal reduzierter bildnerischer Mittel, so lässt sich der erste Eindruck bei der Begegnung mit Plénitude umschreiben. An der Frontwand befinden sich vier gleich große Gemäldetafeln, begleitet von einem weiteren Gemälde im gleichen Format. Die Einheit des Maßes betont die Ruhe und Ordnung, die den Raum der Installation insgesamt bestimmt. Zugleich verweist das gleiche Maß der Gemäldeflächen auf Bezüge, die nicht nur zwischen den Tafeln, sondern auch zwischen den weiteren Elementen der Installation bestehen. Die Fenster, die den Ausstellungsraum nach außen als großflächige transparente Wände begrenzen, sind durch Folien auf das gleiche Maß wie die Flächen der Gemälde reduziert. Die Flächenform der Gemälde wiederholt sich so in den Fenstern. Noch ein drittes Mal greift Camesi exakt die Dimension und Größe der Bildtafeln auf: in den vier Skulpturenblöcken, die außen vor den Fenstern liegen.

Noch einmal wird das Moment der Reduktion der bildnerischen Mittel bei der genaueren Beschreibung der einzelnen Elemente erkennbar. Auf klare Konturen und einfache Formgestalt konzentrieren sich die skulpturalen Außenformen. Auch ihre materiale Beschaffenheit zielt nicht auf die Vergegenwärtigung optisch oder haptisch aufwendig und komplex zu erfahrender materialer Qualitäten, sondern auf die schlichte, visuelle Präsenz einer Form, die primär auf die optische Behauptung ihrer Anwesenheit zu zielen scheint. Die durch die Folienbeklebung gewissermaßen «ausgeschnittenen» Fensterflächen intendieren allein das Erleben ihrer Transparenz als Übergang zwischen Innen und Außen. Die visuelle Dynamik der Farbe der zentralen vier Gemäldeflächen der Frontwand, Rot, Grün, Blau und Natur, sowie das Schwarz der Seitentafel ist durch einen lichthaft transparenten weißen Schleier reduziert. Ihren originären Farbklang zeigen die Gemälde nur an den blockhaft gehobenen Rändern.

Die Elemente der Installation bauen so ein Spannungsfeld aus Polen gegensätzlicher Momente auf. Materialität und Schwere bilden den Gegenpol zu Licht und Leichtigkeit. Transparente Flächen stehen in Korrespondenz zu Körpern unterschiedlicher materialer Dichte wie undurchdringlich skulpturaler Masse und lichthaft farbiger Verdichtung. Innen und außen stehen miteinander im Wechsel. Nichts und Leere sind mit Substanz und Materie in Balance gebracht. Das ästhetische Erleben der Installation Plénitude wird so begleitet von einem Wechselspiel von Bezügen, in die der Betrachter mit einbezogen wird. Er spürt, dass die Installation einer Gesetzmäßigkeit folgt. Camesi versteht sie als Metapher für eine Deutung des Menschen mit seinem Bezug zu einem universellen Ganzen.

Die einheitliche Größe der Gemälde, der transparenten Fensterflächen und der Außenskulpturen erklärt sich als Modul. Es ergibt sich aus der Zuordnung der Teile im räumlichen Ganzen, und zwar so, dass die Elemente, Gemälde, Fenster und Skulpturen, durch eine präzise Führung von Geraden mit Ausgangs-, Ziel- und Berührungspunkten an ihren Rändern mathematisch-geometrisch genau miteinander verbunden sind. In diese Zuordnung ist auch der Mensch integriert. Zum einen als Mitspieler im Raum und damit als Teil des funktionierenden Ganzen. Zum Zweiten aber auch in der durch den Künstler festgelegten Betrachterposition außen. Von hier aus richtet er auch einen reflektierenden Blick auf Plénitude als bildnerischer Konkretion einer Gesetzmäßigkeit zwischen Corps (Körper) und Esprit (Geist), die Gianfredo Camesi in eine überzeugende Formel bringt:

Hans-Jürgen Buderer

Mit freundlicher Unterstützung: