ALTE KUNST: ÄGYPTEN
Ausgewählte Werke
Relieffragment mit Kopf eines syrischen Gefangenen
ÄGYPTEN
Neues Reich (oder 3. Zwischenzeit), 20.– 22. Dynastie, 1200 – 800 v.u.Z..
Kalkstein
15,0 x 13,5 x 2,4 cm HBT
Darstellungen, die den König als Bezwinger von Fremdvölkern zeigen, sind seit dem Beginn der ägyptischen Geschichte bekannt. Zumeist handelt es sich um das urtümliche Motiv des „Niederschlagens der Feinde“, das den König beim Erschlagen eines oder mehrerer Feinde zeigt. Detailreiche Feldzugdarstellungen kennen wir erst aus der Ramessidenzeit[1], zum Beispiel von Sethos I., Ramses II. und Ramses III. Diese sind in der Regel an den Tempelaußenwänden angebracht und stellen den übermächtigen, immer siegreichen Pharao in verschiedenen Kampfhandlungen dar. Mit diesen abschreckenden Bildern sollte zudem auf magische Weise sämtliches Übel vom Tempelinnern ferngehalten werden. In diesen Feldzugdarstellungen tauchen immer wieder Bilder von Feinden auf, sei es direkt in Kampfhandlungen oder in der anschließenden Rückführung von Gefangenen nach Ägypten und deren Präsentation vor dem Götterkönig Amun. Dieser nach rechts gewandte Kopf eines Mannes mit voluminöser Perücke, Haarband und üppigem Bart stellt einen syrischen Gefangenen dar. Deutlich ist der Strick, der um seinen Hals gelegt wurde, erkennbar. Flehend hatte er seinen Arm vor dem König erhoben, wie aus den Spuren ersichtlich ist. Er dürfte sich in einer Reihe von Dutzenden von Gefangenen befunden haben, die den König um Gnade gebeten haben. Eine andere Möglichkeit, das Fragment einzuordnen, wäre die, dass es sich um den oberen Teil einer personifizierten Stadt handelt. Die Namen unterworfener feindlicher Städte wurden in ovale Mauerringe geschrieben, die an ihrem oberen Ende mit dem Kopf oder der Büste eines entsprechenden Bewohners personifiziert waren. Der Ägypter kannte seit jeher drei Feindgruppen, die er immer wieder stereotyp abgebildet hat. Diese waren die Nubier im Süden, die Libyer im Westen und die Asiaten im Nordosten.
André Wiese, 2011
[1] Die Ramessidenzeit bezeichnet den Zeitraum von ca. 1292 v.u.Z. bis ca. 1070 v.u.Z., in dem elf Pharaonen aus der 19. und 20. Dynastie unter dem Eigennamen Ramses regierten. In jener Zeit erlebte Ägypten eine kulturelle Blüte, die sich in der Architektur, Kunst und Literatur widerspiegelte. Ein bedeutender Herrscher dieser Epoche war Ramses II., der zahlreiche Tempel und Statuen errichten ließ, sowie Sethos I., der den Tempel von Karnak erweiterte.
Literatur
S.C. Heinz, Die Feldzugdarstellungen des Neuen Reiches. Eine Bildanalyse, Vienna 2001. S. Petschel – M. von Falck (eds.) Pharao siegt immer. Krieg und Frieden im Alten Ägypten, Bönen 2001, 43f. no. 33, 68ff.