Skulptur – Architektur
04.02.2001 – 11.03.2001
DAS KANN MAN NICHT SAGEN NUR SÄGEN
Skizzen aus JETZT JOHANNA für den Bildhauer Erwin Wortelkamp umkreisend die Zeit vor und nach den Dreharbeiten zu meinem Film LABYRINTH
Sonne die Felsbuckel übergießend mit Honiggelb oder Bernstein allüberall Farn Vögel ihr Flügelschwarz zwischen den elefantenohrgroßen feingezackten rispenreichen im Wind wogenden Blättern eines lindgrünen im letzten Licht des Johannistages gleißenden Meeres zwischen Menhirn im Schatten von Eichen Eisenzäune ringsherum Brombeerranken im Gittergrün Geranien karmesinrot vor sepiagelben Zaunlatten das bleiche Blau kinderkopfgroßer Hortensien die einen verhangenden Himmel im April gleichen ein Kreuz vor einer Kapelle in Carnac Christi Gesicht aus Sandstein geschlagen von Wind und Witterung seiner exakten Konturen beraubt gleicht einer afrikanischen Skulptur.
Von Meer und Menhiren zu Dreharbeiten im Westerwald in Tal des Bildhauers Erwin Wortelkamp in einer Tour nur Regen Regen Regen
Und es war alles schwer nass düster fremd. Johanna jedoch hatte das Eis gebrochen durch eine Glastür sah ich Erwin wie Ulla auf allen Vieren herumtollen um das krabbelnde Kind und bei einer Karaffe weißen Hausweins hatten wir Uta Franz Mathias ich gegen Mitternacht beschlossen uns nicht länger vom Regen abhalten zu lassen und statt den Stand der Dinge eben den Fluss der selben zu filmen.
Jedenfalls sagt Mathias der Freund aus der Stuttgarter Solitudezeit anderntags als wir des Lichtes und der abeltrommeln wegen im Tal Mordsmetallständer durch hüfthohes tropfnasses Gras schleppen müssen Härter wie bei der Bundeswehr.
Schließlich bauen wir ein Zelt für das Licht Franz der Freund aus der Schulzeit kommt im Golf samt sogenannter Arri-Sun ins Regental und hat um Geld zu sparen kein Aggregat bei Vantage Film in Weiden ausgeliehen weil Wortelkamp selber eines hat das mitten in der Nacht prompt noch fünf Minuten ausfällt und mich überfällt Heidenangst die nicht versicherten zigtausend Mark teuren Lampen hätten irgendeinen Schaden genommen.
Aber Franz und ich machen allein würde man gegebenenfalls aufgeben weiter mit Fackeln in einer Lichtung der Dreibeinige aus Eisen grinst dämonisch im Geflacker des Feuers mit Campingschirmen schützen wir die Kameras vorm Ostinato des Regens Später gehe ich barfuß die Kamera in der Hand auf die zehn über rostige Eisenstreifen der Labyrinth genannten Skulptur gleitenden Zehen gerichtet.
Und alles kriegt grade im Feuerschein den gewünschten Traumcharakter der Ausfall des Aggregats ist die Rettung aus diesem Labyrinth der Möglichkeiten gibt es nur den Ariadnefaden Offenheit LABYRINTH wird Titel des Film Mitte des Lebens unterwegs im Gehirn keine Masken sich ins Gesicht sehen.
Im Zeitalter der Digitalkameras die wieder so beweglich sind wie bei weiland Abel Gance entwickelte ich im Tal meine Technik die Kameras zu handhaben wie einen visuellen Faustkeil weiter Wilde und jähe Schwenks einerseits Schnitt und vielfach Verlangsamung andererseits um zu Ansichten von Menschen Landschaften Skulpturen zu kommen irgendwo zwischen Picasso und Pollock plus Zeitfluss der Natur des Films gemäß. Nichtsdestotrotz bin ich froh das Filmen noch auf meiner alten 16-Millimeter-Bolex zum Aufziehen angefangen zu haben Monate gingen ins Land bis die Drei-Minuten-Rollen mit maximal zehn 30-Sekunden-Takes voll waren dann wieder Wochen bis die Bilder aus dem Kopiewerk zurückkamen.
Genauso bin ich froh die ersten zwanzig Jahre auf meiner Schreibmaschine geschrieben zu haben und nicht auf einem Computer Seite um Seite wieder und wieder neu bis zu fünfzig ja hundert Mal schreiben zu müssen bis die Sprache schmelzflüssig wird wie das eigene Blut und irgendwann hart dasteht wie Granit. So wird auch die Härte der Eichen kraft ihrer Jahresringe und ihres Gewachsenseins Wortelkamps Motorsägen eine Grammatik des Wiederstandes entgegen zusetzen wissen daran seine Arbeiten wachsen und so wunderbar rau reifen aber DAS KANN MAN NICHT SAGEN NUR SÄGEN Monumente und Mementos des Lebendigen ihrer Zeit toter reproduzierbarer Perfektion ins Stamm-Buch geschrieben.
Werner Fritsch