MODERNE KUNST: DESIGN
Ausgewählte Werke
Vasen _ Zeitlose Formen
WILHELM WAGENFELD
Gefäße aus den Produktionen von Jenaer Glaswerke Schott & Gen. (1930 – 1934);
VGL Vereinigte Lausitzer Glaswerke AG, Weisswasser (1935 – 1948);
WMF Württembergische Metallwarenfabrik, AG, Geislingen / Steige (seit 1950).
Warum werden Gefäße wie beispielsweise die mit der Werkverzeichnisnummer 438.01, solche in Serie produzierten Gebrauchsgegenstände – Vasen, Gläser, Schalen, Tassen… – nicht nur ihrer vorgedachten Funktion entsprechend genutzt, sondern immer häufiger “nur“ noch ausgestellt? Welches Denken liegt dem Tun zugrunde, industrielle Produkte gleich individuell gefertigten Preziosen zu präsentieren?
Es sind nahezu stets klare Formen, die dem Betrachter gegenübertreten, wenn er einem Gefäß nach dem Entwurf von Wilhelm Wagenfeld begegnet. Klarheit zeichnet sie aus, ein simpel edles Nebenbei ist nahezu ihnen allen zu attestieren. In sie gestellte Blumen werden nicht durch ihre designte Form in ihrer floralen Wirkung gemindert, sondern eher noch gehoben. Keine Berührungsangst des Glases befällt den Genießer, wenn er aus dem einen Wagenfeldgefäß Wein oder aus einem anderen Tee trinken möchte.
Formal moderate Modernität ist all ihnen zu eigen, nicht ideologisch überbetonte Behauptung. Ihre zurückhaltende Präzision lässt sie strahlen – und sie ist es offensichtlich, die ihre jeweilige visuelle Präsenz auch als isoliertes Ausstellungsobjekt verantwortet.
Im Katalog „Linien stiller Schönheit“ findet sich darüber hinaus die auf das Museum DKM bezogene Beantwortung der ersten Frage gleichsam programmatisch mit Bezug auf die gesamte Sammlung: Die Gefäße Wilhelm Wagenfelds erinnern „in ihrer Einfachheit und Formschönheit an die ästhetische Vollendung asiatischer Keramik“ – und sie besäßen gleichzeitig eine zeitlose und klassische Schönheit.
Der formale Grund ist somit hinreichend dargelegt. Der Gestalter Wagenfeld – so könnte schlussfolgernd formuliert werden – entwarf Gebrauchsgegenstände mit herausragender ästhetischer (wahrnehmbarer) Qualität, um skulpturale Volumina auch in Räume einziehen zu lassen, die den Skulpturen der Denkungsart des l’art-pour-l’art verschlossen blieben.
Womit die zweite Frage zur Beantwortung ansteht: Die Formschönheit der Wagenfeldschen Entwürfe ging nicht einher mit ökonomischer Exklusivität. Der Bauhäusler Wagenfeld nahm nämlich nicht nur die formalen Maxime der Bauhaus-Lehre ernst, sondern auch die gesellschaftlichen Ziele, die der ideologisch weltweit wohl einflussreichsten Gestaltungsschule des 20. Jahrhunderts zugrunde lagen. Klaus Lehmann, der ehemalige Leiter der Abteilung Produktgestaltung der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart bringt dies auf die Formel: „Pressglas kann schön sein“!
Form gewordenes Denken, in Form gebrachte Ideen, intellektuelle Absichten in gute Formen zu transformieren – diese in gewisser Weise elitären Absichten führte Wagenfeld nicht auf die Straße exklusiven Designs für die sogenannten „gut betuchten“ gesellschaftliche Gruppen, sondern auf die einer demokratischen Alltagsgestaltung. In jedem etwas auf Form wertlegenden Geschäft der 60er Jahre konnten Wagenfeld-Gefäße für nur etwas mehr Geld erworben werden.
Diese Denkungsart Wagenfelds führte sogar zu sozial rückgebundenen formalen Kompromissen, die bisweilen befremdlich wirken, dennoch aber nicht unerwähnt bleiben dürfen. So entwarf er in den 50er Jahren Gläser mit dekorativen Schliffen, um hochqualifizierten Glasschleifern Arbeit zu geben.
Gefäße Wagenfels als Anschauungsobjekte auszustellen, impliziert mithin immer auch das Credo, dass Formschönheit für visuell Sensibilisierte auch dort aufzufinden ist, wo nicht der Kaufpreis das tradierte „Dem Schönen, Wahren, Guten“ ersetzt.
Wilhelm Wagenfeld: geboren 1900 in Bremen; gestorben 1990 in Stuttgart Weiterführende Literatur:
- Wilhelm Wagenfeld (1900-1990); Publikation zur Ausstellung “100 Jahre Wilhelm Wagenfeld“ im Wilhelm Wagenfeld Haus, Am Wall 209, 28195 Bremen vom 31. Mai bis 31. Oktober 2000
- Zeitgemäß und zeitbeständig – Industrieformen von Wilhelm Wagenfeld; Hrsg.: Carlo Burschel, Bremen 1997
Die Vase mit der Werkverzeichnisnummer „438.01“ von Wilhelm Wagenfeld ist ab dem 24. Januar zu sehen im Museum DKM, Duisburg. Ebendort werden von Wilhelm Wagenfeld zahlreiche weitere Gefäße genauso ausgestellt sein wie Adolf Lazis Produktfotografien von seinen Tassen, Gläsern und Vasen aus den Jahren 1938 bis 1950.
Raimund Stecker (2009)
WILHELM WAGENFELD (1900 – 1990)
Formen – Glas – Formen
Wilhem Wagenfeld
Der in Bremen geborene Wilhelm Wagenfeld (1900–1990), der durch seine Entwürfe für Haushaltsgegenstände aus Metall und Glas zu einem der wichtigsten deutschen Industriedesigner des 20. Jahrhunderts wurde, kam nach einer Lehre in einer Silberwarenfabrik und dem Besuch der Zeichenakademie in Hanau 1923 an das Bauhaus nach Weimar. Dort absolvierte er einen Vorkurs bei Moholy-Nagy und die Ausbildung in der Metallwerkstatt.
Seit 1926 war er dann Assistent und bis 1930 Lehrer an der Staatlichen Bauhochschule in Weimar. 1930–1934 arbeitete Wagenfeld für die Jenaer Glaswerke Schott und Gen. und war seit 1935 künstlerischer Leiter der Vereinigten Lausitzer Glaswerke in Weißwasser/Oberlausitz. In dieser größten europäischen Glashütte schuf er erfolgreiche Produkte, u.a. Vasen für die „Rautenglas- Linie“[1] die teilweise noch bis in die 60er Jahre gefertigt wurden.
Die Sammlung DKM besitzt etliche dieser in den 30 Jahren entworfenen Vasen, die in ihrer Einfachheit und Formschönheit an die ästhetische Vollendung asiatischer Keramik erinnern und gleichzeitig eine zeitlose, klassische Schönheit besitzen.
Nach dem Krieg war Wagenfeld kurz u.a. als Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin tätig, siedelt jedoch 1949 nach Stuttgart über, um als künstlerischer Leiter der Württembergischen Metallwarenfabriken (WMF) zu beginnen.
Hier entwarf er große Produktreihen von Tischgeschirr aus Glas und Chromargan.
1954 gründet er dann zusätzlich die Werkstatt Wagenfeld zur Entwicklung von Industriemodellen, die der erfolgreiche Gestalter bis ins hohe Alter weiterführte und erst 1978 aufgab. Die Sammlung DKM besitzt auch Vasen aus den 50er Jahren, in denen Wagenfeld seinen durch das Bauhaus geprägten gestalterischen Idealen einer schlichten und puristischen Formschönheit sowie zweckmäßigen und qualitätvollen Ausführung stets treu blieb. Obwohl die Situation bei WMF für Wagenfeld seit den 60er Jahren keineswegs einfach war,[2] ließ er sich durch die neuen Markterfordernisse wie kurz[1]lebigere Produkte, Änderungen des Publikumsgeschmacks usw. nicht von seinen ästhetischen Grundwerten abbringen. Seine Entwürfe sind, wie die Kollektion der Vasen in der Ausstellung zeigt, zu Klassikern geworden, die heute noch genau wie zu ihrer Entstehungszeit durch ihre Eleganz bestehen.
Wagenfeld-Gläser aus den Fabrikationen von Jenaer Glaswerke Schott & Gen. (1930–1934)
VGL Vereinigte Lausitzer Glaswerke AG, Weisswasser (1935 – 1948) WMF Württembergische Metallwarenfabrik AG, Geislingen/Steige (seit 1950)
Ute Riese (2008)
[1] Lausitzer Glas. Geschichte und Gegenwart. Schloss Pillnitz, 1987.
[2] Wilhelm Wagenfeld und WMF. 25 Jahre Zusammenarbeit 1950–1975. Katalog Museum Künstlerkolonie, Mathildenhöhe Darmstadt, 2005.
Literatur
Stiftung DKM, Linien stiller Schönheit, 2008, S. 156–161, Abb. S.157.